Kempen

Von Bedburdyck aus brauchten wir mit dem Hänger fast eine Stunde bis nach Kempen. Die Fahrt verlief streßfrei und der Stall war toll. Endlich artgerechte Haltung! Luzie sollte fortan in der dritten Gruppe, bei den alten, kranken und schwerfüttrigen Pferde stehen. Das hatte vor allem den Grund, daß sie gerade erst lahmfrei war und die Stutenherde, seit Jahren eine eingeschworene Gemeinschaft, Luzie höchst wahrscheinlich erst einmal jagen würden. Sie war absolut rangniedrig. Die Gefahr, daß die Stuten sie fertig machten, war zu groß und so landete sich in der besagten Gruppe. Dort gab es noch einen anderen Palomino. Er hieß Joe und war auch erst vor kurzem dort eingezogen. Die zwei sahen sich und mochten sich auf anhieb. Auch mit den anderen Pferden gab es überhaupt keine Probleme. Ja und die kleine verfressenen Luzie meisterte auch die Ständer sehr schnell. Diese Art der Fütterung kannte sie noch nicht, aber es viel ihr nicht sehr schwer, dort ein und aus zu gehen und sich dort auch füttern zu lassen.




Meine größte Sorge war die Umstellung auf Offenstallhaltung bei Winterbeginn. Aber Luzie hatte in den letzten Wochen auch abends noch sehr viel draußen gestanden und das Fenster in ihrer Box und auch alle anderen Fenster im Stall war immer offen gewesen, so daß sie eigentlich ganz gut akklimatisiert sein mußte. Ihr Fell war dick genug und außerdem hatten die Pferde nachts die Möglichkeit in einem Laufstall Schutz vor Wind und Wetter zu suchen. Dieser Laufstall hatte drei Türen, so daß kein Pferd den Eingang blockieren konnte. Es dauerte auch nicht lange, da konnte ich anhand von Spänespuren im Langhaar feststellen, daß sie sich nachts auch hinlegte. Sie lebte sich also schnell ein.

Kempen war zwar weit weg, aber der Stall hatte den Vorteil, daß er 24 Stunden rund um die Uhr geöffnet war. Die Einstaller bekamen einen Generalschlüssel und die Weidetore wurden mit einem weiteren Schlüssel bedient, der im Stübchen lag. So kam man immer an sein Pferd, seine Sachen und in die Halle und trotzdem war alles abgesichert.

Ich hatte mir vorgenommen, nur jeden zweiten Tag nach Kempen zu fahren. Der Weg war einfach zu weit und Luzie hatte ja nun so viel Auslauf, daß sie nicht täglich geritten werden mußte. Ich wollte ihr auch noch Zeit lassen, um Ihre Lahmheit richtig auszukurieren. Wir hatten ja niemals richtig herausgefunden, woran es lag und ich wollte ihr einfach noch Zeit lassen.

Es dauerte aber zu meinem Entsetzen nicht sehr lange, ich glaube es war im Januar, da hatte Luzie auch schon ihr erstes Hufgeschwür hinten. Ich behandelte es mit Hilfe des Tierarztes und schon war ich wieder täglich am Stall. Um mir dies leisten zu können, stieg ich auf öffentliche Verkehrsmittel um und lies mein Auto des öfteren stehen. Es war eine Himmelfahrt und ich war oft erst um 20 Uhr im Stall, dazu meistens noch ganz alleine dort und dann auch erst um 23:30 Uhr zu Hause und dabei war an Reiten nicht zu denken.

Nach dem ersten Hufgeschwür folgte das zweite und das dritte und so hielt es sich den ganzen Winter dran. Eine Ursache fanden wir nicht, aber ich erklärte es mir mit der krassen Umstellung und hoffte, daß es im Sommer besser werden würde.

Mit dem Weideauftrieb im Sommer war der Spuk dann auch beendet. Die Zeit der Hufgeschwüre war vorbei und wir konnten die Zeit genießen. Trotzdem war ich fast täglich auf dem Hof. Die Sorge um mein Pferd lies mir keine Ruhe und ich mußte sie täglich sehen und wenn es nur für ein paar Minuten war.

Nach dem Winter mit den vielen Lahmheiten folgte ein verfressener Sommer. Luzie stand 24 Stunden draußen und hatte 24 Stunden Zugriff auf Gras. Dazu gab es auch noch Kraftfutter.

Die wenige Bewegung durch die Hufgeschwüre, die viele Zeit, die ich mit der Anfahrt und dadurch weniger mit Reiten verbringen konnte und der verfressene Sommer machten sich bald bemerkbar. Luzie wurde dicker und dicker. Zuerst fiel das gar nicht so auf, denn sie war ein wenig dünn, als sie in dem Winter dort ankam. Außerdem schadete ein wenig Speck auf den Rippen auch nicht, wenn man Tag und Nacht in der Kälte verbringen mußte und in diesem Winter war es sehr kalt.

Es wurde wieder Winter und Luzie bekam dickes Fell. Eindecken und Scheren schloß sich schon dadurch aus, daß das Eindecken der Pferde nicht gewünscht war und es wäre auch nicht in meinem Sinne gewesen. Es gab ein Solarium, aber ich stellte bald fest, daß Luzie, die sowieso schon so schnell schwitzte, dieses durch das Solarium noch verstärkte. Ich konnte sie nicht genug bewegen, weil sie sonst zu naß wurde. Ich konnte sie ja schlecht bei Minusgraden naß in den Offenstall stellen. Unter dem Solarium wurde sie nicht trocken, sondern schwitze noch mehr. Es blieb mir nichts anderes übrig, als das Reiten auf ein Minimum zu begrenzen. Sie wurde immer fetter und fetter und fing dann auch noch an zu husten.

Im Januar 2006 lernte ich Michael kennen, der mit Pferden nichts am Hut hatte, außer daß man sie gut mit ihm „stehlen“ konnte. Trotzdem wohnte er in einer Wohnung in der Reithalle eines neuen und sehr schönen Dressurstalles in meiner Nähe. Wir mochten uns sehr und schon bald verbrachte ich Tag und Nacht bei ihm. Ich bedauerte es, meine schöne Wohnung, die ich sehr mochte, so vereinsamen zu lassen aber es war mir viel wichtiger mit Michael zusammen zu sein. Er begleitete mich oft, ja fast täglich, nach Kempen.

Und dann fingen Luzies Hufgeschwüre wieder an. Es war genauso, wie im letzten Winter. Jetzt war es für mich eindeutig. Luzie ist für Offenstallhaltung, zumindestens in dieser Form, nicht wirklich geeignet und ich beschloß, daß sie nicht noch einen weiteren Winter in dieser Haltung verbringen sollte. Dazu kam, daß sie nun so fett war, daß der Tierarzt mich eindringlich vor einer Rehe warnte und dazu kam noch, daß mein Auto im Frühjahr 2006 einem Unfall zum Opfer fiel und ich eine Zeit überbrücken mußte, bis ich wieder ein neues Fahrzeug hatte. So blieb mir nichts anderes übrig, als wieder mal darüber nachzudenken, wohin ich denn mit Luzie umziehen könnte.

Michael ermutigte mich, den Stallbesitzer auf dessen Anlage er wohnte zu fragen, ob ich sie dort unterstellen könnte. Ich traute mich erst nicht, denn die Erfahrungen, die ich bis dato mit Dressurstallbesitzern gemacht hatte, machten mich vorsichtig. Diese waren zwar alle sehr nett, konnten aber überhaupt nichts mit Westernreitern anfangen, was ich übrigens durchaus verstehen kann. Ich hatte also Angst vor einer Abfuhr und es kostete mich schon einiges an Überwindung, nach einer Box zu fragen.

Letztendlich tat ich es dann aber doch und freute mich, Luzie ab 1. Juli 2006 dort einstallen zu können. Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis ich meine Wohnung aufgab und auch selbst dort einzog. Am 31. Dezember 2006 schloß ich zum letzten Mal die Tür in Kaarst hinter mir ab und ich lebe seitdem mit meinen beiden Liebsten auf diesem wunderschönen Reiterhof. Und es ist ein Traum.

Lieben Gruß
Eure

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